Griechenland

Dalmatien – Samothráki – Athen – Olympia – Metéora – Neapel – Rom – Paris

September 1984

Samstag, 22.09.84 – Start meiner ersten Interrail-Tour *seufz*.
Mit liebreizender Begleitung wurde wg. Heimatzuschlag der pekuniär vorteilhaftere Benelux-Umweg bis Basel gewählt. Erstaunlich helvetisch toleriert das nächtliche Ausrollen von derben Bundeswehr-Schlafsäcken bis zur Kontinuation nach Zürich im Morgengrauen. Weiterfahrt nach Innsbruck , wo nicht nur ein Goldenes Dachl zur fahrplankonformen Jause einlud. Zurück im Waggon dann bei Villach ein neuerliches Wartesaal-Intermezzo mit lichtscheuem Umstieg in den bereits etwas unhygienischen Istanbul-Express aus München. Leider kauder-kroatisch vermasselt wurde der nett angebotene morgengraue Weckruf in Zagreb , zwecks Weiche südlicher Art zu den bekannten Plitvitzer Seen.

Als »Notbremse« fungierte deshalb Slavonski Brod im ostblock-typischen Plattenbau-Look am Bahnhof und Einwohnern in rudimentärem Schuhwerk als Armutsindikator. Irgendwann ging es aber planmäßig weiter, südlich nach Sarajevo . Im Jahr der olympischen Winterspiele war die Altstadt mit Moschee, Minarett & Co. nett herausgeputzt. »Historisch korrekt« war noch alles in verordneter balkanesischer Idylle. Noch ohne die späteren, störenden blutigen Lochreihen und der daraus resultierenden Grenz- und Gräbervielfalt.

So führten uns auch die Gleise entlang der Neretva-Schlucht nach Mostar zur damals noch intakten »alten Brücke« türkischer Bauart, Stari Most mit UNESCO-Gütesiegel. Eine infrastrukturelle Herausforderung war dann der maritime Weg via Kardeljevo über(!) die Halbinsel Pelješac zum malerischen Eiland Mljet, dummerweise im Dauerregen. Tags darauf aber sonniger Badespaß und open-air Schlafsacktest. Danach erneut UNESCO-like zur »Perle der Adria« – Dubrovnik (vgl. 2011), mit seinen stabilen Stadtmauern vom Allerfeinsten.

Im fülligen Bus wurde die erdbebengeplagte Bilderbuchbucht von Kotor gestreift, um abends in Bar kyrillische Bahnfahrpläne zu studieren. Nach einer großZügigen Albanien-Umrundung via Skopje dann der Übergang vom Čevapčiči-Paradies ins gelobte Souvlaki-Land ΕΛΛΑΣ . Erster Kulturstopp: Weißer Turm »Lefkos Pirgos« in Saloniki, bevor es zum nordöstlichen Griechen-Rand nach Alexandroúpolis ging – mit Sandstrand und Zeltnacht ohne Zug. Zusätzlich lockte die Dümpel-Option zur Ägäis-Insel Samothráki, satte 1.611 m hoch.

Zielort und Reisezeit verhinderten ganz bewusst auch die Kollision mit der sommerlichen Rucksack-Stampede, somit freie Auswahl der Zeltparzelle am Geröllstrand von Thérma. Wegen limitierter Möglichkeiten, von A nach B zu kommen, wurde der Fegári-Gipfel zugunsten küstennaher antiker Säulen geopfert – das Kabiren-Heiligtum bei Paleópolis. Die flugtaugliche, aber kopflose Statue der »Nike« (ohne Turnschuhe ☺) hatte ein herzloser frankophoner Kleptomane bereits 1863 in den Pariser Louvre verfrachtet.

Der Fährmann nach Limnos fährt nur sporadisch – ist aber keine Sporaden-Insel (*ein echter Brüller*). Also Siesta gehalten im Kafenion von Kamariótissa und zurück zum Festland, um mit »Olympic Airways« gut + günstig in die Smog-Metropole Athen zu gelangen. Fahrplanmäßig wurde sogleich die goldgelbe Atemluft der Spaghetti-Hochburg verlassen. Augenblicklich über den skipper-freundlichen Kanal von Korinth (vgl. 2012) nach Mykene, wo Chef-Archäologe Heinrich Schliemann seinerzeit nicht nur das Löwentor abgebürstet hat.

Selbiges wurde alsdann verriegelt und der Kulturgenuss konnte außerhalb mit einem »Greek Salad« intensiviert werden. Die nächste Etappe der Tour-de-Peloponnes zielte direkt ins Olympia-Stadion – besonders zu Frühsportzeiten zu empfehlen, da 45.000 Besucher reinpassen. Nach einer »Olympic Beach«-Pause bei Killini am Westzipfel und bei Krathio am sauberen Golf von Korinth wurde erneut die hitzige Hauptstadt besucht. Zuerst einmal ein Überblick vom Lykabettos-Hügel (277 m), dann natürlich auf zur Akropolis (156 m).

Angenehm ruhig war die Antike Agora mit byzantinischer Apostel-Kirche und dem gelungenen Hephaistos-Tempel alias Theseion. Auf dem Weg zum Bahnhof lag noch eine – mal nicht antike – illuminierte Markthalle, bevor die Weichen Richtung Norden nach Kalambaka gestellt wurden. Nach einem mächtigen Marsch zum netten Campingplatz dann die grandiosen Meteora-Klöster, (übersetzt) »luftig« auf Sandsteine gedübelt. James Bond und Frauen im züchtigen Rock wurden vereinzelt raufgelassen, uns genügte die tolle Tal-Totale.

Direkt am Zelt wurde ein Bus angehalten, der sich zum Katára(s)-Pass (1.690 m) raufschraubte, danach Tendenz fallend zum schmucken See von Ioannina. Ein Fahrzeugwechsel führte final zum Fährhafen von Igoumenitsa, wo noch ein Kurzstreckenkahn zur »italienischen« Übernachtungsinsel Kérkira, alternativ Korfu ergattert wurde. Land in Sicht dann erst in Brindisi , wo der Anschlusszug nach Neapel lockte. Also »sehen und nicht sterben«, neben dem Verkehrschaos z.B. das Castello Nuovo und die elegante Galeria Umberto.

Nicht ewig brauchte der Schnellzug in die Stadt Rom (vgl. 2013), wo zwischen den üblichen Autos in ausreichender Stückzahl das kolossale Colosseum lokalisiert wurde. Für Schöngeister prädestiniert ist das Forum Romanum, bevor die Neuzeit wieder »am Zug« war. Nach einem Morgenhappen in Turin ging’s aufwärts ins Aostatal, wo schon Augustus IX im netten Hauptort triumphierend den Bogen überspannte und das partielle Teatro Romano von seiner Sandalen-Laufleistung zeugt. Übrigens ist ein Iglu-Zelt bei klarer Bergluft ein böses Omen.

Der geplante Höhepunkt, die Mega-Seilbahn von Courmayeur über die Aguille du Midi (3.842 m) nach Chamonix (vgl. 1985) wurde wg. Reparatur erst an der Talstation gestoppt. Ärgerlich, denn die Busfahrt durch den Mont-Blanc-Tunnel war nur ein schwacher Trost für die eingesparten Geldbündel. Mit Gourmet-Gaumen wurden deliziöse Omelette in ein(heimisch)er Randkneipe von Chamonix verkostet, bevor ein Nachtzug in die Stadt der Liebe startete. Paris ist groß, also erstmal Notre Dame auf 70 Meter erklommen…

Von dort waren keine Verdächtigen mit Buckel und Faible für Perkussion zu sehen, aber monströse Chimären und Panorama auf die Seine-Metropole. Parterre folgte dann das volle Pflicht-Programm: Place de la Concorde und Champs Élysées, wo »chez McDonalds« diverse Francs auf die Luxus-Theke geknallt wurden. Diverser Diafilm ging für den Arc de Triomphe drauf und selbstredend für den Eiffelturm (nur echt mit zwei F). Allerdings verhinderten hier leider apokalyptische Wolken die an- und quergestrebte Fahrstuhlsause.

Der regenreiche Rückzug wurde Richtung Gare du Nord angetreten, nicht ohne sich an warmen Crêpes zu laben. Zudem hielt sich das lukullische Angebot in der Gegend sehr bedeckt, im Gegensatz zu den billigen Läden mit billigen Klamotten. Nach der bewährten Ausweich-Weiche über Belgien wurden wir ausgerechnet im toleranten Groningen aus dem Bahnhof gesperrt. Die Schlafsack-Unterlage aus Beton war hart und leicht riskant, als drei Fahrraddiebe den nächtlichen Tatort betraten. Wer will denn schon freiwillig ein Hollandrad? Trotzdem Ruhe bewahrt, bis die Aggressoren – immer noch zu Fuß – das Weite oder was auch immer suchten. Morgens wurde dann nach einem »Café Hollandaise« die alte Heimat geentert. Schön war’s!