Italien • Malta
Kalabrien – Liparische Inseln – Sizilien – Malta – Pompeji – Aostatal
September 1985
Samstag, 14.09.85 – »und täglich grüßt das Murmeltier« -
auf zur zweiten Interrail-Tour!
Déjá vu-artig wurden wieder mal diverse Waggons auf der Sparpreis-Umlaufbahn über Benelux nach
Lyon getestet. Im Morgengrauen mit einer Horde Gipfelstürmer in Chamonix
angekommen, kam leider erneut das Aus (vgl. 1984) für den ersehnten Mont Blanc-Seilbahntransfer
nach Courmayeur. Laut klimatischer Prophezeiung hätten sich oben nur Eisbären in Windjacken
wohlgefühlt. Also wurde der Geldkoffer wieder zugeklappt und die Wolken alternativ Richtung
Martigny verlassen, um unverZügliCH Simplon-untertunnelt
und thermisch günstiger nach Italien zu fahren.
Im wuchtigen Mailänder Bahnhof Stazione Centrale dann ein kurzer Umstieg in einen langen Zug, mit partialer Nachtruhe bis Salerno, wo die Morgensonne Dunst + Gemüt aufhellte. Für »Aussteiger« ideal ist die Gegend um Tropea in Kalabrien, wo die Zeltplätze an der Küste auf Nachsaisongäste hoffen. Bei Zambrone wurde sofort nach dem textilen Richtfest das tyrrhenische Meer getestet. Für die Kulturpause bot sich Pizzo mit seinen steilen Gassen und dem Castello Aragonese an. Dort lockten eine superbe Aussicht und »Gelati«!
Eigentlich nicht reif für die Insel(n) machten wir uns auf nach Sizilien. Bei Messina übrigens keine Spur von Skylla und Charybdis, dafür ging’s von Milazzo aus zu den sagenhaften liparischen bzw. äolischen Inseln – erste Station: Vulcano. Der Name sagt alles und die Touris suhlen sich vergnüglich im Schwefelschlamm, entsprechend »grunzig« das Camp bei Porto Levante. Deshalb und wegen der Regenwolken setzten wir gleich rüber zur Hauptinsel Lípari, damals noch mit Jugendherberge in Top-Festungslage und der praktischen Gepäckablage.
So wurde trotz Bimssteinstrand am nächsten Morgen ein tragflügeliges »Aliscafo« (Obacht: Zwei Häfen!) bestiegen, zur Insel der Versuchung: Strómboli. Auf dem Weg ragten einige bizarre Felsen aus dem Wasser, bis hin zum Vulkanableger Strombolícchio nördlich von Piscità. Gegen 1600 wurde das leichte Marschgepäck inkl. Schlafsack und Taschenlampe in Gang gesetzt. Nach beschwerlichem Ascheanstieg – meist »direttissima« zwei Schritt vor, einer zurück – auf 924 Meter konnte seitlich gesichert das nächtliche Feuerwerk beginnen. 1A plus +++
Der Abstieg im Morgengrauen wurde auf der Nebenroute mit kleinen Kletterpassagen gewürzt, dazu die frühe Bootsrückfahrt im Nacken. Also ausgiebig Siesta und Restaurante auf Lípari, bevor auf dem (aus Inselsicht) Festland der nächste Schienenstrang aufgesucht wurde. Für Felsfreunde lag der Rocca di Cefalù auf dem Weg nach Palermo (vgl. 2009) bereit. Unsere – laut Wörterbuch – aufblasbaren Liegepolster aus Gummi wurden etwas nördlich bei Ísola delle Fémmine ausgerollt, mit eigener Wäscheleine im sofortigen Härtetest.
Wozu gab es schließlich Busse in den Großstadt-Dschungel, also zuerst mal ins pralle Leben der Gassen, vorbei an Kathedrale, Palazzo Reale und San Domenico zum ultimativen Gruftie-Tipp: Die Catacombe dei Cappuccini beherbergten – meist stehend – insgesamt 8.000 extrem schlanke Gesellen in zeitloser Mode. Nach soviel morbidem Charme stand jetzt wieder Sonne und Strand auf der Wunschliste – also hurtig gen Süden nach Marinella, wo schon die Griechen bei Selinunt den schönen Hera-Tempel mit Meerblick errichteten.
Die logische kulturelle Fortsetzung wäre das äußerlich nicht einladende Agrigent – nur umfahren die »Öffis« die Tempel (vgl. 2009) großzügig, also direkt auf nach Syrakus. Neben der grandiosen Altstadt mit der Fontana Aretusa für die hydrophilen Besucher, lauerte westlich der antike Overkill in Form vom Teatro Greco und dem Anfiteatro Romano. Nicht zu vergessen die artifizielle Quelle Grotta del Ninfeo, nebst besonderer Steinbruchhöhle Ohr des Dionysius, die mit ihrer lauschigen Akustik so manche neugierige Löffel aufsperren ließ.
»Leinen los« dann am nächsten Tag und nach Valetta gedümpelt. Um den kolossal befestigten »Grand Harbour« mit seinen Creeks gruppierten sich Vororte wie Vittoriosa und Senglea, wo noch rechtzeitig Quartier gemacht wurde. Gegen Belagerungsaspiranten steht das Fort St. Elmo auf einem Getreidespeicher und der ritterliche Grand Master’s Palace war nur noch durch die opulent gefüllte St. John’s Co‑Cathedral zu toppen. Grüne Busse fuhren über die antik-abgeholzte Insel, sonnige Sohlen stiefelten zur Blue Grotto und den Dingli Cliffs.
Malta ist keine Badeinsel, aber »…show us your smile, no need to shoω us more…« warnte vor blassem Fleisch. Britisches Kulturgut war auf der Ex-Kolonie auch in Form von Bingo und Fish & Chips zu finden. Etwas lohnender waren da schon die historischen Städte Rabat (u.a. St. Paul’s Catacombs) und Mdina am ruhigen Abend. Satte 5.000 Jahre alt ist die relativ unzierliche Megalith-Anlage Hagar Qim im Süden, das Pendant Ggantija liegt auf der Nachbarinsel Gozo. Dort lockte nicht nur die Aussicht von der Citadel in Victoria.
Nach einem weiteren maritimen Transport bis Catánia dann per Nachtzug nach Neapel. Das Museo Archeologico war geschlossen, somit auch diverse neckische Teile aus Pompeji [lat. Pompeii, ital. Pompeï] ☺. Also ging’s gleich zum Ausgrabungsareal. Dummerweise wurde das Privatbahn‑A-Ticket im nicht erkennbaren Privatbahn‑B-Zug mit saftigem Zuschlag geahndet. Weitere Münzen wurden am Eingang fällig, aber es lohnte sich. Theater und Mosaiken (»Cave Canem«) – alles ausreichend vorhanden. Nur den »Faun« hatten wir uns größer vorgestellt.
Nach recht hohem Touristen- und Temperaturpegel wurde – wie im letzten Jahr – ein Zug via Turin ins Aostatal ergattert. Nach einem liebevollen Meinungsaustausch bilateraler Art über das angestrebte Reiseende, entschloss ich mich, allein noch etwas Bergluft zu schnuppern. Im Nachhinein ein Fehler, denn selbige war – wie auch im letzten Jahr – im untersten Thermometerbereich abzulesen. Also folgte ich nur eine Zeltnacht später der »Amica« – in der Bahn-Variante zurück nach Turin und durch den Fréjus-Tunnel nach Modane .
Nach fieser Franzmann-Grenzkontrolle dann erneuter Umstieg und lichtscheue Bahnankunft in Aix-les-Bains. Zu dieser Uhrzeit war leider auch die kurzfristig erträumte »rapide« TGV-Zugfahrt nach Paris vertan, also wurde der verträumte Nachtzug genommen. Positiv bemerkt: Der frühe Start in Paris ersparte am Ende der bewährten Umgehungsroute über Belgien eine neuerliche, nicht ganz geheuerliche Nacht vorm ungastlichen Bahnhof in Groningen . Somit gab es nach multiplen Schienenkilometern ein baldiges Wiedersehen im Norden .