Alpen bis Ligurien

Silvaplana – Interlaken – Wallis – Aostatal – Seealpen – Dolomiten

September 1999

Motorradtour VI – wieder mit Autozug, diesmal am Dienstag nach München.
Direkt diagonal über Garmisch-Partenkirchen, dem Fernpass (1.207 m) und der Piller Höhe (1.558 m) ging’s von unten nach oben durchs Engadin . Statt Sanatorien in St. Moritz zog ich als Grand Hotel-Opposition eine »petite« Parzelle in Silvaplana auf immerhin 1.815 m Seehöhe vor. Vom unzarten Zelthartboden zum idyllischen Marmorera-See stand einer Tagestour just nur der Julierpass (2.284 m) im Weg.

Tief nach Tiefencastell und Bergün-bergauf bot der Albulapass (2.312 m) gute Kreislaufwerte. Regnerisch radial runter vom Passo del Maloja (1.815 m) nach Chiavenna und »sùbito« steinig-schön hoch über Splügenpass (2.117 m) zum unfreundlichen Zeltwart unter der Autobahn. Von röhrenden Raser-Rudeln gespeist, war der Auflauf an der Via Mala einfach nur schlecht. Ein weiter Weg wand sich westwärts über Oberalppass (2.045 m) und Sustenpass (2.224 m) aartig zum Brienzer See bei Interlaken – dem »Bödeli« dazwischen.

Lauter furiose Felswände fand ich bei Lauterbrunnen, leider war das XXL-Zelt­lager pickepacke voll (Marathon 1999). Ganze Banden von Barbecue-Berserkern. Dann doch lieber am Talschluss (Kauf)­Kraft geschöpft für die Jungfraubahn Zahnradbahn. DM 170,– sind doch Peanuts. Am Umstieg lauerten fotogene Bernhardiner auf eine Pfote voll ¥en, bevor es im 7‑km-Tunnel totenstill wurde. Nach Kavernen mit verglastem Blick aus bzw. auf Eigerwand und Eismeer folgte »top of Europe« eine Taverne mit vergletschertem Blick auf Aletschfirn alias Konkordiaplatz.

Mit Pudelmütze noch die Pinguin-Plas­tiken im Polarpalast bestaunt und »zügig« den Stollen subalpin verlassen. Tags darauf wurden die Trommelfelle neben den Trümmelbachfällen getes­tet – bis zu 20.000 Liter zarter Schmelz pro Sekunde von Eiger, Mönch und Jungfrau. Willst Du weiter ins Wallis, führt die Fahrt von Interlaken über die Aesch-Aussicht (übrigens kein T(h)unfisch im Thuner See) zum Bahnsteg nach Kandersteg. Zwangsweise im Fahrradwaggon zog die Lok meine feuergefährliche Fracht locker durch den Lötschbergtunnel (14.612 m).

Wieder im Wallis (vgl. 1996) wurde gesittet über Sion an der Panoramakante Nax Posten be­zogen, wo Madame Lulu (oder Fifi), typisch mit Bommelpantoffeln und Hündchen die Camping-caisse verwaltete. Wanderwillige kamen seitlich auch ohne Seitenwagen ins Val d’Anniviers mit Ziel Zinal. Dort wartete die ku(e)h(ne) 800-Meter-Wand des Roc de la Vache (2.581 m) auf fel­senfeste Fern-Seher. Im Programm 4000plus: Weisshorn, Zinalrothorn und der Dent Blanche, dessen monströse Moräne vom Glacier de Zinal ruhig etwas Zahnweiss vertragen kann.

Apokalyptische Wolken und der endlose Abstieg ab Alpe Ar Pitetta machten müde Beine, aber die superbe Sackgasse zum Col de Sanetsch (2.242 m) am Folgetag wieder munter. Diesmal einfach mit großem St. Bernhard-Tunnelblick ins beliebte Aostatal zum textilen Richtfest bei Morgex und als Polarfuchs im Frühfrost rauf ins Val Savarenche. Steinig, aber leider ohne Böcke stieg der Pfad paradiso-isch zur »Blechdose« Vittorio Emanuele II Hütte »Vitt. Emanuele II«, im Sommer sicherlich mit Einbahnregelung für die später gestarteten, schwitzenden Schwadronen.

Gut erholt in der verwunschen verwachsenen Zeltumgebung wurde als zweite Großtat das Val Veny angegangen, angesichts der unten abseits angebrachten Parkanlage aber kein Spaziergang. Dafür versöhnte ein massives Aufgebot an Felsnadeln aller Art vom Mont Blanc-Massiv, noch dazu zeugte gigantisches Geröll in Randlage von der kalbenden Kraft des Miagegletschers in den Lac du Miage. Die von allen erhofften tsunami-tauglichen Tau-Trümmer sieht man wohl besser aus der zweiten Reihe, wie mal ein Amateurvideo eindrucksvoll zeigte.

Turboschnell leitete die Autostrada ins Tohuwabohu von Turin. Immer mit dem Abfahrtsplan vor dem geistigen Visier, um nur nicht den 270°-Kreisel an die rechte Po-Backe zu verpassen. Dort lockte ein stilles Kleinod in der hitzigen Fiat-Stadt (Fabbrica Italiana Automobili Torino – Gründer Giovanni Agnelli brauchen wir später noch). Erst mal irgendwie in Südrichtung raus und auf der [663] ins schmucke Saluzzo, wo zwei freundliche Senior-Signori stolz zu diversen Proviant-Stätten geleiteten. Selbiger wurde im kühleren Valle Varaita vorgekostet.

Angenehm angedacht wurde es ohne Fiat hoch oben auf dem Col dell’Agnello (2.744 m) doch a****kalt. Mein Frage »il fait beau en bas?« wurde aber vom einzigen Gegen-Passageur bejaht, als Beweis gab’s unten eine warm behütete Demoiselle coiffée mit weichem Herz aus Stein. Ab dem binoctalen Basislager bei Abries steigerte sich der Steig vom Petit Belvédère zum Grand Belvédère auf Monte Viso & Co. Hannibaleske Elefanten waren leider Fehlanzeige, dafür gab es kannibaleske Heuschrecken Killer-Heuschrecke bei der Plateau-Pause mit »Bleu Queyras«-Käse.

Turmhoch überlegen war der Besuch des Château Queyras. Aus strategischer Sicht sinnvoll die steile Schottertour zum Sommet Bucher (2.257 m) zum Sommet Bucher mit Restlicht-Rückkehr zum Zelt. Nach Déjà vu im Vars (vgl. 1995) zuerst Sonne ohne Grenzen am Col de Larche (1.991 m) , danach schmal und schön zum Col de la Lombarde (2.350 m) . Ab Luftmatratze in St. Sauveur ging die Tour seealpin nach la Tour. Freundliche Krämer freuten sich auf fremde Kräder. Beim GeWaldmarsch zum Mt. Tournairet (2.085 m) kaum Aussicht durch die Gipfelwipfel.

Höllisch runter nach Roquebillière und himmlisch wieder rauf zur Madone d’U­telle (1.181 m). Tiefe Schluchtweihen erfuhr man durch die Gorges de la Vésubie und die abendroten Gorges du Cians, nur der Schluss schlauchte bis zum Schlafsack. Wieder auf und ab via St. Martin zielte die [D171] zur Cascade de l’Estrech mit traumhaften Tümpeln. Vom Col de Turini (1.607 m) aus kreiste alles um alten Krieg, mich zog es friedlich Fort an die Riviera di Ponente . Noch gefühlte 20.000 Tunnel ab Ventimíglia bis zum staubigen Stau-Finale in Finale Ligure.

Einen Zeltplatz zu finden war hart, selbiger auch. Dafür drumherum dralles Dolce Vita, leider mit nachtaktiven Hunden. Entsprechend müde wurde »La Strada« ab Savona bis Cremona und weiter ab Mántova bis Trient gemeistert. Nachfolgend Fels-Pirámidi, Fassatal (vgl. 1994) und Frühstart zum Sellajoch (2.214 m). Mutig durchgeStanden wurde dahinter der museale Langkofel-Lift, hier sollte mal die Scharte ausgewetzt werden. Da oben wurde geklettert und nicht gekleckert bis die Sch(w)arte kracht – alle anderen gingen ringsrum steil ab und auf.

Nach einer unausweichlichen Brotzeit-Belohnung galt es nun am Grödnerjoch (2.121 m) den reichlichen Reisebussen auszuweichen, bevor die Blechlawine bis nach Bruneck abging. Das zu den Dolomiten 1999. In bekannter Moto-Manier wurde ab Matrei die unterirdische Maut-Möglichkeit nach Mittersill genutzt und nach einer aufsummierten 60.000 km-Festminute der Norden von Kufstein erreicht. Noch eine letzte Nacht bei Würzburg und die Unterfolie vom Zelt konnte feierlich in die Tonne getreten werden. Das war's – diesmal 3.498 km.